Und jetzt kommt´s: Das Durchschnittsalter aller Japaner liegt weltweit einsam an der Spitze. Die Frauen erreichen ein Durchschnittsalter von 82 Jahren
(in Deutschland 79) und die Männer von 76 Jahren (in Deutschland 72).
Wie wird man alt?
Überall in Japan wird grüner Tee praktisch den ganzen Tag lang getrunken. Wohlgemerkt: Grüner
Tee. Schluckweise, tassenweise, den ganzen lieben langen Tag. Daß die medizinische Forschung dort zwangsläufig irgendwann einmal aufhorchen mußte, liegt auf der Hand. In letzter Zeit wurden die außergewöhnlichsten
Zusammenhänge zwischen Gesundheit und grünem Tee gefunden. Und auf diesen Zug der Erkenntnis wollen wir heute hier hurtig aufspringen, auf daß auch wir davon profitieren.
Ausgetrocknet
Zunächst generell ein paar Worte zum Thema Trinken allgemein. Ohne jegliches Essen kann ein Mensch mehrere Wochen leben - und nicht zu schlecht.
Ganz im Gegensatz zur immer noch weit verbreiteten Meinung
ist das totale Fasten, bei gleichzeitiger Versorgung mit vier Litern Trinkwasser pro Tag, ausreichenden Mineralien und Vitaminen, ein segensreiches Programm, das nicht nur rasant von überflüssigen krankmachenden Pfunden
befreit, sondern auch von organischen Krankheiten. Und, was ganz besonders beruhigend dabei ist, auch versteckte Krankheiten können auskuriert werden. Daher rührt der Begriff Heilfasten für die Nulldiät. Null heißt
allerdings tatsächlich Null, also wirklich keinen Schluck Fruchtsaft, Gemüsebrühe oder ähnliches.
Essen ist also gar nicht so wichtig. Ohne Trinken jedoch ist der Mensch bereits nach drei bis vier Tagen in
einer lebensgefährlichen Lage. Und was er trinkt ist ebenfalls nicht ganz unwichtig. Und wieviel er tagaus, tagein trinkt, ist auf Dauer genauso bedeutend.
Was trinken Sie denn da?
Eigentlich ist Wasser, direkt aus einer Quelle oder einem Bach, die einzige ursprüngliche und damit natürliche Flüssigkeitsversorgung von Mensch und Tier. Das sollte man auch heute noch bedenken. Wobei ich niemandem
unbesehen einen x-beliebigen Bach im heutigen Mitteleuropa empfehlen möchte. Und auch mit den Quellen ist es so eine Sache. Doch davon später.
Allerdings wird Wasser von der Mehrheit der Erdbevölkerung auch
heute noch als hauptsächliches Getränk verwendet. Insgesamt rangiert Wasser an erster Stelle. Aber nur aus Armut. Die meisten Menschen auf dieser Welt können sich nun mal nur Wasser als tägliches Getränk leisten, mit
dem Vorteil, daß Wasser in der Regel gesünder ist als so manche anderen Getränke. Daß viele Menschen täglich wie die Fliegen wegsterben, weil ihr Trinkwasser nichts taugt, sprich lebensgefährlich ist, steht auf einem
anderen Blatt, sollte uns aber zumindest nachdenklich machen. Auf dem zweiten Platz der Getränke rangiert weltweit, weil Asien so viele Einwohner hat, der aus einer Kamelienart, dem Teestrauch, gewonnene Tee.
Vom Wasser haben wir´s gelernt
Die Zivilisation hat uns Bürger der Industriestaaten ganz schön umgepolt. Den meisten Menschen ist die Tatsache, daß Wasser das einzig natürliche Getränk
ist, überhaupt nicht geläufig. In Deutschland zum Beispiel steht übers Jahr gesehen der Kaffee an erster Stelle, gefolgt vom Bier. Erst an dritter Stelle rangiert das Wasser.
Warum trinken wir?
In erster Linie doch, weil es gut schmeckt, was wir trinken. Dann, weil wir ab und zu mal Durst haben. Und die Zahl derer, die etwas trinken, weil es betrunken macht, möchte ich gar nicht erst nachblättern.
Diese Tatsache ist für die betroffenen Menschen traurig genug, als daß man darüber irgendeine negative Bemerkung machen müßte.
Dabei wäre es gut, wenn Durst an erster Stelle rangieren würde. Aber in unseren
Breiten steht diese Motivation wohl eher an letzter Stelle, weil das natürliche Durstgefühl aus was für unerfindlichen Gründen auch immer verkümmert ist - vielleicht aufgrund der Zivilisation?
Zivilisation.
Das hört sich so zivilisiert an, nicht wahr? Doch das meiste, was man unter zivilisiert einreiht, ist höchst unzivilisiert. ”Zivilisiertes” hat sich nur eingebürgert, ist modern geworden und ist meistens das Gegenteil,
nämlich dekadent.
Lebenslange Trockenperiode
Seit über zwanzig Jahren ist eine der ersten Fragen, die ich jedem Patienten stelle, wieviel Liter pro Tag er trinkt. Das Ergebnis ist
erschreckend: Achtundachtzig Prozent trinken pro Tag einen halben Liter oder weniger. Und wie die oben erwähnte offizielle Statistik sagt, in erster Linie in Form von Kaffee, der nicht unbedingt als Freund des Menschen
und schon gar nicht als Wohltäter der Haut oder der Nieren angesehen werden kann. Ganz im Gegenteil.
Hier in diesem Buch will ich Ihnen das Trinken und speziell ein Getränk schmackhaft machen und darüber
ausführlich mit Ihnen plaudern, damit diese ungute Situation möglichst fühlbar umgekrempelt wird. Zwischen den Zeilen und auf den Zeilen, und, wie Sie wohl schon bemerkt haben, um das Hauptthema grüner Tee herum möchte
ich erreichen, daß Sie es sich in Zukunft im großen und ganzen richtig gut gehen lassen. Und lachen Sie nicht: Indem wir uns in die Seele einer Schale mit grünem Tee versenken, wird das Leben leicht. Streitereien werden
in ihrer Kleinkariertheit und Intoleranz entlarvt, manches Problem in seiner Banalität und Gedankenlosigkeit enttarnt, die Toleranz in unserem Bewußtsein erweitert und ein liebenswertes “asiatisches” Lächeln, das von
innen kommt, zaubert sich auf unsere Lippen.
Und das nur, indem man eine Tasse Tee trinkt?
Lächerlich!
Ja, tatsächlich.
Es wäre lächerlich.
Es ist lächerlich zu glauben, daß sich die
Welt verändert, wenn wir einen Teebeutel in eine Tasse mit heißem Wasser schmeißen, eine Menge Zucker reinschaufeln oder Milch dazukippen, uns die Lippen vor Ungeduld verbrennen und dann, wenn er endlich lauwarm
geworden ist, schnellstens runterschlucken.
Stehcafé - typisch 20. Jahrhundert!
Diese soeben beschriebene Dekadenz läßt sich noch weiter vervollkommnen: Den Tee vielleicht auch
noch im Stehen trinken? Oder gar im Gehen, von einem Schreibtisch zum anderen?
Oder während wir uns ärgern? Oder gar streiten? Meine Großmutter hatte uns Enkeln das Reden beim Essen strikt verboten. Ich
fand das immer sehr albern und autoritär. Obwohl ich sie sonst niemals dieser Eigenschaften bezichtigen könnte. Heute verstehe ich diese Überlieferung, wahrscheinlich wäre sonst beim Essen eher gestritten worden, als
daß eine nette Unterhaltung Essen und Trinken harmonisch und gesunderhaltend begleitet hätte.
Aber unter welchen Umständen man auch immer grünen Tee trinkt, lieber im Gehen und Stehen als überhaupt nicht.
Neben Honig und Zitrone ist mir kein Nahrungsmittel bekannt, das ich so gerne aus so vielfältigen therapeutischen Gründen empfehlen möchte.
Geschmacklos
Jetzt hat man Ihnen
vielleicht dieses Buch geschenkt. Und vielleicht eine Packung grünen Tee dazugelegt. Sie haben sich also diesen sogenannten grünen Tee eingeschenkt und skeptisch probiert.
Weil der grüne Tee zunächst fremd
schmeckt, oder nach gar nix, oder nach Gras, oder nach Heu, oder so entsetzlich herb, haben Sie sich inzwischen eventuell noch einen Haufen Disaccharidsaccharose (der natürliche Name für den unnatürlichen Zucker in
Ihrer Zuckerdose) reingekippt, damit das Gesöff wenigstens so ähnlich wie Limonade schmeckt. Oder H-Milch dazugeschüttet, ein ehemaliges Lebensmittel, das kein Leben mehr in sich hat. (Ich frage mich, was bloß
besonderes an diesem Zeug sein soll?)
Was soll also der Wirbel um den grünen Tee?
Gelassenheit
Nun, auf diese Weise mit dem grünen Tee umzuspringen entspräche der
allgemeinen Mentalität im heutigen Mitteleuropa. So, wie man auch im allgemeinen mit den Mitmenschen, der Umwelt und vor allem auch mit sich selbst umspringt. Und das hat der grüne Tee nicht verdient. Sie, die Umwelt
und ihre Mitmenschen übrigens auch nicht.
Eine Kanne grünen Tee, aber ohne Zeitnot - gelassen - alleine oder gemeinsam, mit sorgfältiger Dosierung und genauer Temperatur eines guten Wassers zu zelebrieren,
alle, ja alle sieben Sinne daraufhin zu lenken, das jedoch kann Unglaubliches bewirken und einen Menschen umkrempeln.
Einen müden Menschen umkrempeln, der bisher blind und dumpf durch den trüben Tag
getrottet ist.
Davon, von dieser Wandlung, von diesem künftigen Erlebnis soll hier gesungen werden. Der Inder Rabindranath Tagore, einer der größten Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts sagte:
Kommt, oh, kommt
ihr Teedurstigen.
Ruhelose ihr.
Der Kessel kocht,
sprudelt und singt
sein Lied.